DAS TRAURIGE LEBEN DER BRUDERHÄHNE IN POLEN

Veröffentlicht am 03.07.2023

Erstmals konnten die traurigen Lebensbedingungen deutscher Bruderhähne in Polen aufgedeckt werden. Die Recherchen, die Animal Society zugespielt wurden, zeigen: Die Tiere fristen ein kurzes, trauriges Dasein in Massentierhaltung. Einem neuen Zweig der Massentierhaltung, wohlgemerkt. ZDF WISO berichtete am 03.07. exklusiv vorab.

Seit 2022 ist es in Deutschland verboten, die männlichen Geschwister von Legehennen direkt nach dem Schlüpfen zu töten. Trotz bestehender Alternativen werden seitdem immer noch Millionen der Hähne in der sogenannten Bruderhahnaufzucht für ihr Fleisch großgezogen und geschlachtet, viele von ihnen in Polen.

So leben die männlichen Küken in der Bruderhahnaufzucht

Innerhalb kürzester Zeit hat sich nach dem Verbot des Kükentötens in Deutschland ein komplexes System der industriellen Massentierhaltung gebildet, das sich über verschiedene europäische Länder erstreckt:

 

Bruderhahn - Küken auf engstem Raum.

Die Küken werden über weite Strecken von Belgien nach Polen transportiert, da es sich hier um die Brüder KAT-zertifizierter Legehennen für den deutschen Markt handelt. Nach der KAT-Zertifizierung dürfen die männlichen Geschwister der Legehennen aus ausländischen Brütereien, die nach Deutschland verkauft werden, ebenfalls nicht getötet werden. Wenn sie nicht mit der Geschlechtsbestimmung im Ei vor dem Schlüpfen aussortiert werden, führt das dazu, dass die Brüder aus belgischen und niederländischen Brütereien zur Aufzucht in Polen landen.
 
Einige Tiere überleben bereits diesen Transport nicht oder sterben direkt nach der Ankunft vor Erschöpfung.

Eine Bruderhahn-Haltung in Polen.
Die Hähne müssen auf engstem Raum leben.

Die Tiere leben nur 2,5 Monate in den Ställen in Polen und werden anschließend geschlachtet. Bruderhahnaufzucht klingt, als dürften die Hähne leben. In Wirklichkeit werden sie nach wenigen Wochen, die sie in dunklen, engen Ställen verbracht haben, getötet. Noch absurder wird das vor dem Hintergrund, dass es in Europa für das Fleisch der Bruderhähne nicht einmal eine Nachfrage gibt. Immer wieder hören wir, dass das Fleisch in afrikanische und asiatische Länder exportiert wird.

Obwohl die KAT-Zertifizierung dafür sorgen soll, dass die Tiere unter „besseren“ Bedinungen leben, ist auch hier die Haltung von 20 Tieren auf einem Quadratmeter zulässig – weniger als einem DINA4-Blatt pro Tier.

Immer wieder finden sich auch kranke, verletzte und tote Tiere dazwischen und die Tiere werden grob behandelt. Wir sehen Entzündungen an Augen und Kloake, schwache Tiere, die apathisch und aufgeplustert im Stillen leiden, kahlgepickte Stellen.

Ein Bruderhahn mit Entzündung am Auge.
Animal Society Logo

Wer wir sind – Animal Society ist eine gemeinnützige Organisation, die sich für die Rechte und Interessen von Tieren einsetzt und Gesellschaft und Politik dazu ermutigt, Tierleid zu beenden. Mit unserer Aufklärungsarbeit und politischen Kampagnen schaffen wir Transparenz, um effektive Tierpolitik zu etablieren. mehr

Nur zu Beginn wird Stroh eingestreut: Das führt dazu, dass der Boden nach kurzer Zeit stark mit Kot verschmutzt ist und sich an den Füßen mancher Tiere Kotklumpen bilden, die die Bewegungsfreiheit einschränken und zu Entzündungen führen können.

 

Kotklumpen an den Füßen eines Bruderhahns.

Beim Einfangen für den Transport zum Schlachthof können wir beobachten, dass die Tiere grob eingefangen und regelrecht in die engen Transportboxen hineingestopft werden.

Die Tiere werden für den Transport zum Schlachthof in enge Transportboxen hineingequetscht.
Transportboxen gefüllt mit Bruderhähnen auf dem Weg zum Schlachthof.
Aufnahme eines Hahns der Rasse Lohmann Lite, derselben Rasse wie die meisten Bruderhähne. Foto-Credit: Vlastelin / Shutterstock

“Bruderhahnaufzucht” suggeriert ein anderes Bild: Viele der Labels, die mit der Aufzucht oder sogar „Rettung“ der männlichen Küken werben, zeigen Hähne auf der grünen Wiese, häufig zusammen mit Henne und Küken. Wie wir sehen, entspricht das nicht der Realität. Verbraucher*innen wird ein völlig anderes Bild vermittelt.

Vergleicht man das Leben der Bruderhähne mit einem erfüllten Hühnerleben und Bildern gesunder, glücklicher Tiere, wird schnell klar: Was die Bruderhähne in ihrem kurzen Leben durchmachen, hat mit „Tierwohl“ und dem Bild, das Verbraucher*innen vermittelt wird, nichts zu tun.

Ein Bruderhahn in der Massentierhaltung.

Die Berichterstattung zur Bruderhahnaufzucht in Polen war bisher von Gerüchten und Mutmaßungen geprägt: Es hieß, die Haltungsbedingungen seien dort besonders schlimm. Erstmals konnte nun gezeigt werden, wie die Hähne in Polen leben. Klar ist danach: Die Bedingungen sind in Polen genauso schlimm, wie in jeder anderen europäischen Massentierhaltung. Dass die Tiere dort überhaupt leben müssen, um kurze Zeit später getötet zu werden ist das Absurde. Ganz grundsätzlich haben Tiere in solchen Ställen kein gutes oder erfülltes Leben. Vergleicht man das Leben in der Massentierhaltung mit den Interessen und Bedürfnissen von Hühnern, wird schnell klar, dass die Tiere leiden. Und das obwohl es Alternativen gibt, die sowohl das grausame Töten der Küken, als auch die leidvolle Aufzucht der Hähne vermeiden können.

Animal Society setzt sich für ein EU-weites Verbot des Kükentötens ein. Das deutsche Verbot war ein wichtiger Schritt für den Tierschutz und muss auf alle EU-Länder ausgeweitet werden. Denn außer Frage steht: Das grausame Töten der Küken ist keine Option. Klar positioniert sich Animal Society dabei jedoch gegen die Bruderhahnaufzucht. Denn sie verlagert die Tötung der Küken lediglich ein paar Wochen nach hinten. Zuvor durchleben die Tiere lange Transporte und ein tristes, kurzes Leben voller Stress und Enge. Es gibt Alternativen zu Kükentöten und Bruderhahnaufzucht, allen voran pflanzliche Ei-Alternativen. Aber auch die Geschlechtsbestimmung im Ei wäre in der Lage, vermeidbares Leid direkt zu vermeiden. Mit einem EU-weiten Verbot könnten diese Alternativen besser gefördert und sowohl das unnötige Kükentöten, als auch die Bruderhahnaufzucht beendet werden.

 

Kontakt für Nachfragen:
carlotta.heinemann@animalsociety.de