Die Verstümmelung von Tieren in der Landwirtschaft
Die industrielle Tierhaltung zwingt Tiere in einem Umfeld zu leben, das ihnen keinen Raum für natürliches Handeln lässt. Viele Verhaltensweisen oder körperliche Eigenschaften der Tiere sind in der profitorientierten Tierindustrie unerwünscht.
Wer in das System des maximalen Profits nicht hineinpasst, wird passend gemacht: es werden Schwänze kupiert, Schnäbel gekürzt, Zähne geschliffen, Hoden entfernt, Ohren markiert.
Verstümmelung der Tiere findet in der Massentierhaltung täglich millionenfach statt. Es haben sich aus Profitgründen grausame Methoden etabliert. Die Körper von Tieren werden einem System angepasst, das nie für sie, sondern ausschließlich für menschliche Interessen geschaffen wurde.
Rechtslage zu Eingriffen an Tieren in Deutschland
Nach der amtlichen Begründung zum Tierschutzgesetz (TierSchG) sollen Tiere zwar nicht einem aus betriebswirtschaftlichen Gründen zweckmäßigen Haltungssystem angepasst werden. Vorrangig sollten eigentlich die Haltungsbedingungen verbessert werden. Die Praxis spricht jedoch eine andere Sprache.
Nach § 5 Abs. 1 TierSchG darf an einem Wirbeltier ein mit Schmerzen verbundener Eingriff ohne Betäubung grundsätzlich nicht vorgenommen werden. Ebenso ist es nach § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG verboten, einem Wirbeltier Körperteile zu amputieren, Organe zu entnehmen oder Gewebe zu zerstören.
Das Gesetz sieht allerdings zahlreiche Ausnahmen von diesen grundsätzlichen Verboten vor. Diese werden sowohl in konventionellen als auch in Bio-Haltungen routinemäßig genutzt.
Tatsächlich werden so jeden Tag routinemäßig Eingriffe und Amputationen durchgeführt, viele davon ohne Betäubung. In der Fachsprache bezeichnet man diese als “zootechnische Eingriffe”.
Welche Eingriffe werden an Tieren in der Landwirtschaft vorgenommen?
Es gibt zahlreiche Manipulationen an Tieren. Im Rahmen von Tierversuchen werden viele operative Eingriffe an Tieren durchgeführt. Auch bei sogenannten Haustieren ist das Kupieren von Schwänzen und Ohren, das Entfernen von Zähnen oder Krallen und das Stutzen von Flügeln in vielen Ländern der Welt grausame Normalität. Der folgende Artikel setzt sich jedoch mit Verstümmelungen von Tieren in der Landwirtschaft auseinander.
Schwanzkupieren
Schwanzkürzen bei Schweinen
Die industrielle Tierhaltung bietet eine extrem karge, reizarme Umgebung. Dies führt bei Schweinen häufig zu Verhaltensstörungen. Normalerweise verbringen Schweine große Teile ihres Tages mit Wühlen und Futtersuche. Dies ist den Tieren in der intensiven Tierhaltung nicht möglich. Deshalb verlagern sie den Beschäftigungsdrang häufig auf ihre Artgenossen.
So kommt es in der Intensivtierhaltung vermehrt zum sogenannten Schwanzbeißen. Schweine nehmen wiederholt die Ringelschwänze ihrer Artgenossen in den Mund und beginnen darauf herumzukauen.
Dies führt häufig zu Verletzungen. Entzündungen des Rückenmarks, Pyämie (eitrige Blutvergiftung) und Nekrosen, also ein Absterben des Schwanzes, können die Folge sein.,
Um dem vorzubeugen, werden Ferkeln innerhalb der ersten Lebenstage die Ringelschwänze auf die Hälfte oder bis auf ein Viertel abgetrennt. Dies darf bei unter vier Tage alten Ferkeln ohne Betäubung vorgenommen werden. Nach EU-Recht ist ein routinemäßiges Schwanzkupieren jedoch verboten.
Das Kürzen der Ringelschwänze wird mit Zahnkneifzangen, Schneidezangen, Skalpell oder Kauter, also mit der erhitzten Klinge eines Kupiergerätes, durchgeführt.
Es wird angenommen, dass das Kupieren der Schwänze starke Schmerzen bei den Ferkeln verursacht. Denn auch bei eintägigen Ferkeln sind bereits Nerven bis in die Schwanzspitze vorhanden. Durch den Eingriff wird den Tieren das letzte Stück der Wirbelsäule durchtrennt.
Die Schmerzen halten bis zu vier Monate an. Schweine dürfen in der konventionellen Tierhaltung lediglich sechs Monate leben. Das heißt, sie leiden knapp zwei Drittel ihrer Lebenszeit unter den Folgen des Schwanzkupierens.
Das Schwanz- sowie das Ohrenbeißen sind Verhaltensstörungen, die darauf hinweisen, dass die Schweine erheblich unter ihren Haltungsbedingungen leiden. Diese Ursache des Problems wird allerdings nicht in Frage gestellt. Stattdessen wird versucht, die Auswirkungen eines in keiner Weise tiergerechten Systems zu bekämpfen.
Dass das Schwanzbeißen lediglich eine von vielen Verhaltensstörungen ist, wird dabei vernachlässigt. Nach dem Schwanzkupieren verlagert sich das intensive Bebeißen meist auf andere Körperteile: Ohren, Gelenke, Vulva, Anus und andere Körperenden. Das Kupieren führt auch nicht dazu, dass die Schweine das Schwanzbeißen komplett unterlassen.
Nach der EU-Richtlinie über Mindestanforderungen zum Schutz von Schweinen dürfen Ringelschwänze nicht routinemäßig kupiert werden. Vorrangig sollen eigentlich andere Maßnahmen angewandt werden, wie eine Veränderung der Unterbringung und Bestandsdichte. In der Praxis stellt die Ausnahme des Schwanzkupierens aber die Regel dar.
In Deutschland werden Ausnahmegenehmigungen in aller Regel erteilt, sodass hierzulande 89% aller Schweine kupierte Ringelschwänze haben. Deutschland verstößt damit gegen geltendes EU-Recht.
Mulesing bei Schafen
Auch Schafen wird häufig der Schwanz abgeschnitten. Gerade in der Merinowolle-Produktion kommt es massenhaft zum sogenannten Mulesing bei Schafen. Dies ist eine Form des Schwanzkupierens bei langschwänzigen und stark wolltragenden Schafrassen. Mulesing wird hauptsächlich in Australien, dem größten Merinowolle-Produzenten der Welt, durchgeführt.
Beim Mulesing schneiden speziell dafür ausgebildete Menschen den Lämmern ohne Betäubung die Haut um die Schwanz-After-Falte flächig ab. Im gleichen Zug wird meistens auch der Schwanz bis zum dritten Schwanzwirbel gekürzt. Insgesamt soll mit dem Mulesing einem Befall mit Fliegenmaden vorgebeugt werden.
Die Lämmer sind dabei meist zwischen sechs und 12 Wochen alt. Der operative Eingriff bedeutet für die jungen Tiere große Schmerzen.
Auch hier findet ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit statt, um die Symptome eines kaputten Systems zu bekämpfen. Die Ursache für den starken und tatsächlich gesundheitsgefährdenden Fliegenbefall liegt nämlich nicht in den Schafen selbst.
Vielmehr führt die intensive Haltung von Schafen in riesigen Gruppen zu einer überproportionalen Vermehrung von Fliegen. Wurmbefälle und nicht optimale Fütterung ziehen häufige Durchfallerkrankungen nach sich. Dies bedingt wiederum das Einnisten der Fliegen in verschmutzter Wolle um den After der Tiere.
Des Weiteren wurden Merinoschafe zu einer immer größeren Wollproduktion hin gezüchtet. Durch diese Züchtung haben sie mehr Hautfalten und bilden mehr Wolle. Für Fliegen stellen Hautfalten und verschmutzte Wolle besonders reizvolle Ei-Ablage-Plätze dar.
Der Fliegenmadenbefall kann zwar in der Tat zu stark schmerzhaften Entzündungen und durch Blutvergiftungen sogar bis zum Tod führen. Das Abschneiden von Hautflächen darf aber keinesfalls eine routinemäßige Prophylaxemaßnahme sein, insbesondere nicht ohne Betäubung.
Alternativen zum Mulesing sind:
- Züchtung zurück zu faltenfreien Merino-Rassen
- verstärktes Beobachten der Schafe
- vorsichtiges Zurückschneiden der Wolle, um den Schwanz herum
- Reduktion der Tierzahlen, um der übermäßigen Ausbreitung von Fliegenlarven entgegenzuwirken
- präventive chemische Behandlungen
- Verwendung pflanzlicher oder synthetischer Fasern und Beendigung der Schafhaltung für ihre Wolle
Schwanzkürzen bei Rindern
Auch Rindern wird häufig der Schwanz gekürzt. In Deutschland ist das Kürzen von Schwänzen bei “Milchkühen” verboten. In vielen anderen Ländern auf der Welt, wie den USA oder Irland, wird es jedoch nach wie vor praktiziert.
Die vorgeblichen Gründe hierfür sind angeblich verbesserte Hygienebedingungen, Tiergesundheit und Arbeitsplatzsicherheit. Es gibt jedoch keinerlei wissenschaftliche Beweise, die dies bestätigen.
Bei männlichen Kälbern unter drei Monaten, die in die Mast gehen, darf auch in Deutschland mittels eines elastischen Rings das bindegewebige Endstück des Schwanzes gekürzt werden.
Als Grund wird angeführt, dass die Tiere sich bei der Haltung auf Vollspaltenböden häufig Schwanzverletzungen zuziehen. Auch hier passt man die Tiere den unzureichenden Haltungsbedingungen an, statt die Haltungsbedingungen so zu verbessern, dass körperliche Beeinträchtigungen von Grund auf vermieden werden.
Folgen des Schwanzkürzens können Infektionen, Fliegenbefall sowie auch hier die Bildung schmerzhafter Nervengewebewucherungen (Neurome) sein.
Enthornung der Tiere
Enthornung von Rindern
Da Rindern routinemäßig die Hörner im Kindesalter entfernt werden, denken viele Menschen, dass Kühe generell keine Hörner hätten.
Richtig ist aber, dass in der industriellen Tierhaltung bei horntragenden Rassen nahezu immer die Hornanlagen bei Kälbern in den ersten Lebenswochen mittels eines Brennstabes zerstört werden. Bei unter sechs Wochen alten Rindern ist das Enthornen ohne Betäubung erlaubt.
Warum werden Rinder enthornt?
Als Argument dafür wird vor allem eine mögliche Verletzungsgefahr der Tiere untereinander und gegenüber Mitarbeitenden aufgeführt. Zu beachten ist allerdings, dass eine Verletzungsgefahr nicht von Hörnern selbst ausgeht. Faktoren, die Verletzungen durch Kuhhörner begünstigen sind vielmehr:
- beengte Haltungsbedingungen, die den natürlichen Sicherheitsabstand zwischen den Tieren unmöglich macht
- grobe Handhabung statt eines freundlichen, geduldigen Umgangs mit den Tieren
- schlechte Mensch-Tier-Beziehungen begünstigt durch Automatisierung und negative Erfahrungen der Tiere mit Menschen
- Stress und Beschäftigungsmangel
- Herdenunruhe aufgrund ständiger Durchmischung mit neuen Tieren (bedingt durch die kurze Lebensdauer von 2,5 Jahren bei Kühen in der Milchproduktion)
Studien konnten widerlegen, dass es mit Hörnern vermehrt zu Rangkämpfen und größeren Verletzungen kommt.
Wie werden Rinder enthornt und welche Folgen hat das?
Die gängigste Praxis ist die Zerstörung der Hornanlagen: Ein Thermokauter (Brennstab) wird auf 600°C erhitzt und auf die Hornknospen der Kälber gedrückt. Dort wird er etwa 10 Sekunden gehalten, bis ein Ring um die Hornknospe ausgebrannt ist. Dadurch wird das Wachstum der Hörner von Anfang an verhindert.
Die Wunden brauchen mindestens sechs bis 13 Wochen, um abzuheilen. Akute Schmerzen bei der Prozedur und gesteigerte Berührungsempflindlichkeit für mindestens 14 Wochen sind die Folge. Zudem gibt es ein erhöhtes Infektionsrisiko.
In einer Studie der Universität Bern wurde festgestellt, dass 38% der enthornten Kälbchen außerdem eine chronische Überempfindlichkeit entwickelten. Es wurde geschlussfolgert, dass die Folgen der Enthornung weit über die Akutphase hinausreichen können. Unabhängig vom Alter und der Schmerzausschaltung während der Enthornung kann es bei einzelnen Tieren zu chronischen Schmerzen kommen. Zudem sind Kälber, bei denen der Eingriff vorgenommen wurde, anfälliger für Krankheiten.
Auch in Bio-Betrieben ist das Enthornen zulässig. Lediglich einige wenige Bio-Verbände lehnen die Enthornung ab oder empfehlen sie nicht, völlig ausgeschlossen ist sie jedoch nirgends.,
Weitere Methoden sind die chemische Zerstörung der Hornanlagen oder eine Amputation der bereits vorhandenen Hörner bei älteren Rindern mittels Säge, Zange oder Seitenschneider. Letzteres muss unter Betäubung erfolgen, da die Hörner mit Nerven durchzogen sind.
Brauchen Rinder ihre Hörner nicht?
Die Hörner sind nicht einfach nur Schmuck, sie haben für die Tiere Funktionen, die ihnen mit der Entfernung abgesprochen und versagt werden:
- Regulierung der Körpertemperatur: Über die Hörner wird überschüssige Wärme abgeleitet und so das Gehirn geschützt.
- Sozialverhalten: Die Hörner dienen dazu, einen natürlichen Sicherheitsabstand einzuhalten. Mit Hörnern üben die Tiere bei Auseinandersetzungen mehr Drohgebärden aus. Ohne Hörner kommt es viel häufiger zu direkten körperlichen Auseinandersetzungen mit Kopfstößen.
- Rangordnung: Die Größe der Hörner ist für die Rinder untereinander ein Indikator, mit dem der Rang eines Tieres in der Gruppe eingeordnet wird.
Vor dem Hintergrund der Funktionen der Hörner ist auch das Wegzüchten der Hörner daher kritisch zu sehen. Dennoch ist es dem schmerzhaften Enthornen vorzuziehen.
Die Haltungsbedingungen an sich sind die Wurzel des Problems. Wieder einmal müssen die ohnehin schon ausgebeuteten Tiere darunter leiden und schwere Eingriffe an ihren Körpern ertragen. Dass die Tierhaltung selbst das Problem ist, wird nicht gesehen.
Enthornung von Schafen und Ziegen
Das Enthornen von Schafen und Ziegen ist in Deutschland grundsätzlich verboten. Eine Ausnahmeregelung besteht nicht, es sei denn, der Eingriff ist nach tierärztlicher Indikation nötig. In vielen anderen Ländern ist es jedoch erlaubt, die Hornknospen mittels Brennstab zu zerstören oder die Hörner abzusägen.
Teilweise werden Ziegen und Schafe hierzulande hornlos gezüchtet. Es wird nämlich angenommen, dass es zu weniger Verletzungen komme und die Tiere ohne Hörner verträglicher miteinander wären.
Die Zucht hornloser Tiere wird allerdings mit Zwittrigkeit und Unfruchtbarkeit in Verbindung gebracht. Zudem ist nicht erwiesen, dass die Tiere mit Hörnern aggressiver sind. Auch hier sind die Haltungsbedingungen ausschlaggebend.
Die Tiere werden gerade in Stallhaltung in unnatürliche Situationen und Sozialgefüge gezwungen, die bei den Tieren Stress auslösen. Wie bei Rindern führt die Hornlosigkeit dazu, dass mehr direkte Kopfstöße ausgeführt werden statt lediglich Drohgebärden mit Hörnern.